DER GEBÜRTIGE FELDSBERGER (UND VAGABUND) JOHANN MATTHIAS SPERGER

Nichts und niemand auf dieser Welt schwebt im luftleeren Raum, existiert ohne Kontext. Und es ist dieses Umfeld, das den Spiegel auf Individuen oder Phänomene zurückwirft. Es offenbart uns ihre Bedeutung oder ihre Nichtigkeit, belastet sie im Licht ihrer Zeit und unserer Wahrnehmung der Vergangenheit.

 

Das Leben des aus Valtice stammenden Johann Matthias Sperger, dessen Konzert in h-Moll Nr. 3 für Kontrabass und Orchester beim diesjährigen Lednice-Valtice Musikfestival in einer erneuten tschechischen Erstaufführung zu hören sein wird, war von zwei Daten umrahmt. Dem Jahr 1750, als auch Antonio Salieri geboren wurde und als König Ludwig XV., wie in Vorahnung der Großen Französischen Revolution, die Öffentlichkeit besänftigte, indem er Gemälde aus seiner Sammlung zur Verfügung stellte. Dies verhinderte jedoch nicht die Ereignisse, die zur Thronbesteigung Napoleons führten … Als Sperger dann 1812 verstirbt, ebenso wie der Librettist von Mozarts Zauberflöte und Gründer des Wiener Theaters Emanuel Schikaneder, strebt die Welt bereits neuen Herausforderungen entgegen. Kolonien werden zwischen den Großmächten aufgeteilt, während Bonaparte in Russland vor einer Niederlage steht. Das war auch für Goethe und Beethoven bei ihrem damaligen Treffen in Teplice aus der Ferne nicht zu übersehen.

Von den sogenannten großen Geschichten seiner Ära allerdings konnte Johann Matthias Sperger, dieser ewige Pilger mit dem Kontrabass auf dem Rücken, nur eine ungefähre Vorstellung haben. Zum einen können sich nur wenige Menschen ein vollständiges Bild der Gegenwart machen. Wenn es selbst für uns, die wir über Online-Informationen aus der ganzen Welt verfügen, fragmentiert erscheint, wie sollte dann ein umherziehender, oft einsamer Musiker an der Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert dazu in der Lage sein? Seit seinem siebzehnten Lebensjahr, als er von Valtice nach Wien ging, bis zu seinem Tod in Norddeutschland fünfundvierzig Jahre später, lebte Johann Matthias Sperger seine „kleine Geschichte“. Schwierig, aber einzigartig.

Lange pilgerte er von Ort zu Ort. Aufenthalte von längerer Dauer hatte er in Bratislava, in der Stadt Kohfidisch an der heutigen Grenze zwischen Österreich und Ungarn, und am Ende seines Lebens im norddeutschen Ludwigslust. Wenn er nicht gerade komponierte, wanderte er von Ort zu Ort. Er versuchte, ein Engagement in Berlin zu bekommen, welches er unglücklicherweise knapp verpasste, oder während seiner Konzertreisen in Italien. Angetrieben von dem Wunsch, sein Talent als Kontrabassist und Komponist auszuleben, aber auch den Lebensunterhalt seiner Familie zu sichern. Auf Lebenszeit der Gnade vorübergehend Mächtiger, weil wohlhabender Charaktere ausgeliefert, deren Namen längst in Vergessenheit geraten sind. Dennoch ist das umfangreiche Werk von Johann Matthias Sperger zumindest teilweise bis heute erhalten geblieben.

Er war nicht der Einzige, der zu dieser Zeit versuchte, für ein relativ junges Instrument mit variabler Saitenzahl zu komponieren. Der Klassizismus brachte die Wiener Stimmung in die Entwicklung des Kontrabassspiels ein. Es begannen Kompositionen mit Solopart für dieses Instrument zu entstehen, das hinsichtlich Größe und Gewicht ohnehin eher nicht zu den leichtesten gehört. Immerhin wiegt er rund fünfzehn Kilogramm und misst bis zu zwei Meter… Sein einzigartiger Klang inspirierte jedoch Komponisten wie Josef Haydn, im Jahr 1763 vielleicht der erste Autor einer Komposition mit Kontrabass-Solo, oder „unsere“ Karl Ditters von Dittersdorf und Jan Křtitel Vaňhal. Aus Italien folgten ihnen Giuseppe Antonio Capezzi und Domenico Dragonelli. Der verspielte Mozart schuf die Konzertarie Pa questa bella mano für männlichen Bass und ein einziges Begleitinstrument, den Kontrabass.

Johann Matthias Sperger musste äußerst fleißig sein, um seine Brotgeber mit immer neuen Kompositionen zu beglücken. Neben einer Reihe von Sinfonien und anderen Werken signierte er achtzehn Konzerte für Kontrabass und Orchester. Es sprudelte aus ihm das Bemühen, dieses Instrument auf solistischer Ebene zu rehabilitieren. Denn meist „macht der Bass die Musik“, d. h. er ist in erster Linie als Begleitinstrument gedacht, das für den Rhythmus im Orchester verantwortlich ist und der Musik das Fundament liefert. Sperger widersetzte sich dem akzeptierten Modell und ging damit in die Musikgeschichte ein.

Er ist bis heute unvergessen. Der Schriftsteller und Dramatiker Patrick Süskind wurde Anfang der 1980er Jahre mit seinem ersten Theaterstück auf der Bühne berühmt. Das Stück „Der Kontrabass“ entstand durch die Umsetzung seines Buches in eine äußerst erfolgreiche Bühnenform. Allein in der Saison 1984 bis 1985 wurde es mehr als fünfhundert Mal aufgeführt! Johann Matthias Sperger wird in diesem Stück erwähnt, allerdings eher in leicht negativer Weise, da Süskind seine Kompositionen als unverhältnismäßig anspruchsvoll eingeschätzt haben soll.

Von dauerhafterem Wert – und in der Welt der klassischen Musik viel bedeutsamer – ist sowohl die Gründung des Unternehmens, das Spergers Namen trägt, als auch seine bedeutendste Errungenschaft. Die Rede ist vom Internationalen Kontrabasswettbewerb, der seit Beginn unseres Jahrhunderts stets in geraden Jahren ausgetragen wird. Letztes Jahr feierte er sein 11-jähriges Bestehen und über achtzig Teilnehmer aus der ganzen Welt hatten sich dafür angemeldet. Die Finalrunden fanden Anfang April 2022 in Rostock statt, Gewinner war der junge spanische Kontrabassist David Santos Luque. Zusätzlich zu den Lorbeeren nahm er eine erfreuliche Belohnung von achteinhalbtausend Euro mit nach Hause, die nicht zuletzt ein Ansporn für unsere Kenner des Solospiels am Kontrabass sein könnte und sollte, sich für den Sperger-Wettbewerb anzumelden.

Jeder Pilger hegt wohl den Traum, eines Tages nach Hause zurückzukehren. An Orte, an denen er es genau kennt, weil er dort – mit den Worten von Jan Werich – „mit Murmeln geklimpert“ hat. Zum zweiten Mal in den letzten vier Jahren würdigt das Lednice-Valtice Musikfestival einen gebürtigen Feldsberger. Und wenn Sperger uns von irgendwoher beobachtet, was nicht zu leugnen ist, wird er am Sonntag, den 24. September 2023, seine Freude haben. Im Schlosstheater Valtice lässt Indi Stivín ab 17 Uhr die Saiten seines Kontrabasses erklingen, begleitet vom Ensemble Barocco sempre giovane.

Bereits um 13 Uhr werde ich mich dort mit einigen von Ihnen zur Diskussionsrunde treffen. Erfahren Sie mehr über die Musik, aber noch mehr über das Leben von Johann Matthias Sperger.

 

 

PhDr. Jiří Vejvoda, tschechischer Radio- und Fernsehautor, Journalist und Moderator

 

 

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