Konzertprogramm | Javier Lupiáñez & Ensemble Scaramuccia

Konzertprogramm

 
Antonio Vivaldi (1678–1741)
Sonate D-Dur RV 810
I. Andante
II. Allegro
III. Largo
IV. Allegro

Sonate A-Dur RV 205/2
I. Adagio
II. Allegro
III. Largo
IV. Allegro

Sonate D-Dur RV 10
I. Allegro
II. Allegro
III. Adagio
IV. Allegro

Trio-Sonate G-Dur RV 820
I. (Allegro)
II. Adagio
III. Violino solo (Preludio) – Adagio – (Corrente)
IV. Violoncello solo Adagio – (Gigue)
V. Allegro

Sonate C-Dur RV 815
I. Allegro
II. Largo
III. Allegro

Sonate D-Dur RV 816
I. Allegro
II. Allegro
III. Largo
IV. Allegro
– Das Konzert ist ohne Pause –
 
Ensemble Scaramuccia
Javier Lupiáñez, Barockvioline & künstlerische Leitung
Inés Salinas, Barockcello
Patrícia Vintém, Cembalo
 

Javier Lupiáñez

 
Der Geiger, Musikwissenschaftler, Pädagoge und Mitbegründer des Verlags Snakewood Editions Javier Lupiáñez gehört zweifelsohne zu den markantesten Figuren der gegenwärtigen spanischen Alte Musik Szene. Der Absolvent des Königlichen Konservatoriums in Den Haag (Barockvioline) und der Universität in Salamanca (Musikwissenschaft) gründete im Jahr 2009 zunächst das Ensemble Les Esprits Animaux, mit dem er 2016 den ersten Preis beim Internationalen van Wassenaer Wettbewerb gewann und anschließend, 2013 das Ensemble Scaramuccia. Es ist die Suche nach einem einzigartigen Repertoire für das Ensemble Scaramuccia, das hinter seinen Forschungsaktivitäten und seinem Interesse an den Dresdner Hinterlassenschaften Johann Georg Pisendels aus dem sogenannten Schrank Nr. II steht, und deren Ergebnis die Entdeckung der zwei Sonaten Vivaldis, RV 820 und RV 205/2, sind. Javier Lupiáñez brennt jedoch nicht nur für die musikwissenschaftliche Forschung, auch ist er ein ausgezeichneter Barockviolinist, seine Kritiker beschreiben ihn als Geiger mit einer „warmen, expressiven Gesanglichkeit, gespielt mit einer beispiellosen Virtuosität “ (Early Music Review). Als Solist oder auch Konzertmeister arbeitete er mit der Europäischen Barockakademie in Amronay, dem Concerto Royal Köln und der italienischen Academia Montis Regalis zusammen. Er reiste praktisch durch ganz Europa, konzertierte in Japan und den USA. Er leitete Meisterkurse in Österreich (Mozarteum Salzburg), Italien (Barockmusik-Konferenz in Cremona), den Niederlanden (Musica Antica Festival) und in der Ukraine (Haliciana Schola Cantorum in Lviv). Lupiáñez ist von Vivaldi, so scheint es, völlig eingenommen. Er publizierte etliche Artikel im renommierten Jahrbuch Studi Vivaldiani und aktuell schreibt er seine Doktorarbeit zum Thema „Die vergessene Kunst der Improvisation und Antonio Vivaldi“ an der Universität Guanajuato. Er spielt auf einem holländischen Instrument aus der Werkstatt Gijsbert Verbeeks von 1682, einer freundlichen Leihgabe der Sammlung Dutch Musical Instruments Foundation.
 

Ensemble Scaramuccia

 
Ehrlichkeit in Kombination mit einem intellektuellen Zugang, so lässt sich die musikalische Sprache des Ensembles Scaramuccia charakterisieren, das 2013 vom Geiger Javier Lupiáñez gegründet wurde. Ihr Debüt gab die Gruppe gleich direkt beim berühmten Musica Antiqua Festival in Brügge und Utrecht. Seitdem haben sie vor allem auf Konzertpodien in Belgien, Holland, Spanien, Italien und Großbritannien eine starke Position inne. Neben dem Geiger Javier Lupiáñez setzt sich die Gruppe aus der Cellistin und Gambistin Inés Salinas sowie der Cembalistin Partícia Vintém zusammen. Im Jahr 2018 erweckte das Ensemble internationales Aufsehen durch eine eigenproduzierte Aufnahme mit dem Namen 1717. Memories of a Journey to Italy, für die sie für den International Classical Music Award 2019 nominiert wurden. “Eine faszinierende CD, die von der außergewöhnlichen technischen Reife der Spieler und ihrem beispiellosen Gespür für Zusammenspiel zeugt,” schrieb über das Album Brian Robins in Early Music Review. Im Dezember 2020 gab das Ensemble Scaramuccia sein bisher letztes Album Pisendel. Neue Sonaten heraus, erneut beim eigenen Label Snakewood Editions, darauf verwertet Lupiáñez seine Entdeckungen aus der Dresdner Pisendel Sammlung. Das Album wurde sechs mal für den Opus Klassik nominiert.
 

Über das Programm

 
„Die Interpretation von Musik war im 18. Jahrhundert eine sehr lebendige, innovative und der Mode unterliegende Angelegenheit. Wenn jemand zu einem Konzert ging, wollte er sich überraschen lassen und sich keinesfalls etwas sagen wie: „Oh, er spielt es genau wie gestern!“ Eine Komposition galt erst als fertig, wenn sie öffentlich gespielt wurde, den Gedanken auf dem Papier hatte der Musiker auf der Bühne zu vervollständigen. Deshalb ist Pisendels Sammlung so wertvoll. Sie öffnet ein Fenster zur Erkenntnis darüber, wie Musik gespielt wurde, zu Zeiten als Antonio Vivaldi lebte und arbeitete.“ (Javier Lupiáñez)
 
„Vivaldi, spiel vier bis fünf Wochen für mich! Spiel und ich werde Dir zuhören! Und wenn es erlaubt ist, würde ich es bitte gern mit meinem Handy aufnehmen!“ antwortete Javier Lupiáñez mit der ihm eigenen Begeisterung auf die Frage, was er tun würde, wenn er den Meister persönlich treffen könnte. Erst danach „würde er dem armen Kerl mit seinen Fragen zusetzen“. Es spricht Bände über die Leidenschaft, die er für diesen Komponisten hegt und die er auch in das Programm des dritten Konzerts des Festivals gelegt hat. Diesmal konzentrieren wir uns auf die in Dresden aufbewahrte sogenannte Pisendel-Sammlung, in der Javier 2014 zwei bisher unbekannte Kompositionen Vivaldis identifizierte: die Triosonate RV 820 und die Sonate in A-Dur RV 205/2. Er schrieb sich damit zwei sehr wertvolle Vivaldi-Entdeckungen zu. Die Rede ist von einer Sammlung, die in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts von einem deutschen Geigenvirtuosen, einem Schüler Vivaldis und einem lebenslangen Freund, Johann Georg Pisendel (1687–1755) zusammengetragen wurde und etwa eintausendachthundert Handschriften umfasst. „Das Faszinierende daran ist, dass sie Noten enthält, die zusammen mit Pisendels Notizen konzertant Verwendung fanden und viele Interpretationen der damaligen Musik erklären, insbesondere im Bereich der Verzierungsund Improvisationstechniken“, sagt Javier über die Sammlung. Die Triosonate RV 820 ist wahrscheinlich eine der frühesten identifizierten Kompositionen Vivaldis aus der Zeit um 1700. Sie verbindet die Musik des 17. Jahrhunderts im Stile des jungen Komponisten, der noch auf der Suche nach seiner individuellen musikalischen Sprache war mit einer Kompositionsweise, die gleichzeitig ein Beleg für den dramatischen Wandel im Musikgeschmack des zu Beginn des 18. Jahrhunderts ist. Darüber hinaus beleuchtet sie Vivaldis Studienzeit und stützt die Theorie, dass Vivaldi bei Giuseppe Torelli (1658–1709) studiert hat, dessen Handschrift sich in der formalen Struktur des Werkes erkennen lässt. „Fünf Jahre später war Vivaldi bereits ein ganz anderer Komponist, so wie wir ihn heute kennen“, sagt Javier. Die Komposition sprüht vor Virtuosität, verbindet wunderbar italienische Gesanglichkeit mit Instrumentalsprache und dem aufmerksamen Zuhörer entgeht nicht, dass der zweite Satz der Gigue aus der Sonate D-Dur RV 10 auffallend ähnlich ist. Kurz gefasst geht es um das Werk eines Virtuosen, welches wiederum einem Virtuosen gewidmet ist. Lupiáñez‘ zweite Entdeckung – Sonate in A-Dur RV 205/2 – trägt bereits alle Kennzeichen des rothaarigen Venezianers, der sich nicht scheute, umfangreiches musikalisches Material aus seinen anderen Kompositionen wiederzuverwenden. Allein im zweiten Satz finden wir 28 Verweise auf andere Werke Vivaldis, alle um das Jahr 1717 entstanden. Eine sehr typische Geschichte hat die Sonate D-Dur RV 810, welche grob auf das Jahr 1710 datiert wird. Wie viele von Vivaldis Werken wurde auch sie gestohlen, diesmal vom Geiger Antonio Pizzolato, der 1750 eine Sammlung seiner „eigenen“ Sonaten veröffentlichte, zu denen er (gewiss ganz zufällig) auch diese zählte. Die einzigen beiden Kompositionen des Abends, die nicht zu Pisendels Sammlung gehören, sind die Sonaten in C-Dur RV 815 und D-Dur RV 816. Ihre Manuskripte wanderten um 1725 nach England, wo sie später in den Besitz des Sammlers Gerald Coke (1907–1990) gelangten und heute im Foundling Museum in London aufbewahrt werden. Der erste Fantasiesatz der Sonate RV 816, deren Entstehung aller Wahrscheinlichkeit nach auf das Jahr 1710 zurückgeht, gehört zu den originellsten Stücken in Vivaldis Kammermusikwerk. Sie ist komplett um den Ton D herum aufgebaut, was dem Solisten die Freiheit gibt, seine Improvisationskunst zu entfalten, wenn auch nur auf einer kurzen Strecke, die eine Art Ouvertüre ersetzt.
 

 

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