Die Brüder Bauer: Die Mannigfaltigkeit des Lebendigen

Es gibt viele Gründe, die Kulturlandschaft Lednice-Valtice zu besuchen: der Gast kann sich an der gestalteten Landschaft erfreuen, die vielfältige Tier- und Pflanzenwelt beobachten und die ebenso vielfältigen Kunstschätze genießen. Manches davon war hier schon vor 250 Jahren vorhanden und hat damals drei in Valtice geborene junge Männer nachhaltig geprägt. Es waren dies die Brüder Bauer: Joseph (1756-1831), Franz (1758-1840) und Ferdinand (1760-1826). Die beiden jüngeren haben auf dem Gebiet der botanischen und zoologischen Illustration Weltruhm erlangt, auf sie kann und sollte man in Valtice zu Recht stolz sein. Ihre Werke sind heute gesucht, auf dem internationalen Kunstmarkt erzielen sie astronomische Preise. Man kann daher ohne Übertreibung behaupten, dass Franz und Ferdinand Bauer für Valtice eine ähnlich herausragende Bedeutung besitzen wie Antonín Dvořák für Nelahozeves, Gustav Mahler für Kaliště oder Sigmund Freud für Příbor.

Die Brüder Bauer begannen früh, die Pflanzen- und Tierwelt ihrer Heimat in Hunderten naturgetreuen Wasserfarbenmalereien von höchster Qualität zu dokumentieren. Zusätzlich schufen sie einige Ansichten der durch Alleen und Teiche veränderten Landschaft und von Gebäuden, wie dem Konvent der Barmherzigen Brüder in Valtice. Schon in jungen Jahren verließen die Brüder ihre Heimat am Unterlauf der Thaya. Joseph nahm nach Studienjahren in Rom seine Tätigkeit in Wien auf, Franz blieb nach einem Aufenthalt in Wien dauerhaft in London, während Ferdinand weite Reisen unternahm – zuerst ins osmanische Reich, gefolgt von Jahren in Oxford und London, später dann einmal um die Welt mit einem langen Aufenthalt in Australien. Anschließend blieb er mehrere Jahre in London, bevor er sich zuletzt in Wien niederließ. Während Joseph zum Direktor der Galerie des Fürsten von Liechtenstein aufstieg, blieben Franz und Ferdinand zeit ihres Lebens Illustratoren, die mit wissenschaftlicher Genauigkeit Pflanzen und Tiere im Bild festhielten. Sie waren gesuchte, gut bezahlte Spezialisten und arbeiteten für prominente Auftraggeber, Franz für Sir Joseph Banks, den langjährigen Präsidenten der Royal Society in London, Ferdinand für John Sibthorp, Professor an der Universität Oxford, und für Robert Brown vom British Museum in London. So kommt es, dass die Masse der Arbeiten von Franz und Ferdinand in England aufbewahrt wird, nur die frühen Wasserfarbenmalereien aus Valtice, gesammelt im Codex Liechtenstein, befinden sich heute Wien.

Fasziniert von der Mannigfaltigkeit allen Lebens blieben Franz und Ferdinand der Darstellung dieses einen Themas treu. Hatten sie in Valtice Haussperling, Maulwurfsgrille oder kopulierende Insekten im Bild festgehalten, dokumentierte Ferdinand später etwa einen Gänsegeier am Parnass im heutigen Griechenland oder einen Koala in Australien. Franz lieferte im Alter auch medizinische Illustrationen, etwa die Darstellung einer Bauchhöhlenschwangerschaft oder eines Aneurismas der äußeren Beckenarterie. Hatten die Brüder Bauer in jungen Jahren mit dem Ungarischen Salbei eine Seltenheit von den Pavlovské vrchy dargestellt, so malte Franz später eine schier endlose Zahl an Orchideen und anderen Raritäten, die in den Gewächshäusern des Königlichen Gartens in Kew bei London kultiviert wurden. Viele davon waren der Wissenschaft noch unbekannt, und das galt in weit höherem Maße für die zahllosen Pflanzen, die Ferdinand auf seinen Reisen beobachtet und dargestellt hatte. Vieles haben die beiden Brüder zum ersten Mal gesehen und gezeichnet, so etwa Franz den Zellkern, ein Organell von grundlegender Bedeutung in der Biologie. Damit sind ihre Arbeiten unersetzliche wissenschaftliche Dokumente.

Ihrer Heimat blieben beide Brüder verbunden. Ferdinand kehrte im Alter als Besucher nach Valtice zurück, starb aber in Wien-Hietzing. Franz starb in Kew, auf seinem prächtigen Epitaph in St. Anne’s Church ist jedoch ausdrücklich sein Geburtsort vermerkt. Was Franz und Ferdinand an Bilddokumentation in lebenslangem minutiösem Schaffen produziert haben, zählt heute zu dem qualitativ Besten, das je auf ihrem Gebiet entstanden ist. Kurz gesagt: ihre Werke gelten als der goldene Standard der naturwissenschaftlichen Illustration – für immer.

 

PORTRET Lack

Autor des Textes: Prof. Dr. Hans-Walter Lack

Vortragsvorschau: 12. Oktober 2025 | 16:00 Uhr | Schloss Valtice – Weißer Saal

 

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Joseph Anton Bauer (1756–1831); Ferdinand Lukas Bauer (1760–1826); Franz Andreas Bauer (1758–1840)

„LIRÍODENDRON“, from: Hortus Botanicus or Liber regni vegetabilis, plants assembled by Norbert Boccius, Prior of the Monastery of the Brothers of Merci in Feldsberg (Valtice), vol.II, 1777

LIECHTENSTEIN. The Princely Collections, Vaduz–Vienna, Inv.-Nr.: GR 527.2

© LIECHTENSTEIN. The Princely Collections, Vaduz–Vienna

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